Arbeiten ohne Hierarchie? Was sich genau hinter Holokratie verbirgt (1/2)
January, 2022
3 min
Stellt Euch vor, es ist Montag und Ihr habt kein*en Chef*in. Ganz so einfach funktioniert Holokratie natürlich nicht. Dennoch kann das New-Work-Konzept als Alternative zu traditionellen Unternehmensorganisationen betrachtet werden. Mit mehr verteilter Autorität und eben doch weniger Führungskräften. Was steckt genau hinter dem Konzept?
Schöne neue Arbeitswelt
In Hinblick auf Globalisierung, Digitalisierung, Individualisierung und eine Liste an weiteren -sierungen befindet sich unsere Arbeitswelt im ständigen Wandel. Individuen und Gesellschaft befinden sich dabei in einem andauernden Spannungsfeld zur Welt und Wirtschaftsmärkten. Kein Wunder, dass bei so viel (An-)Spannung, Flexibilität und Agilität die Buzzwords des 21. Jahrhunderts sind. Egal, in welche Branche wir schauen: Unternehmen und Teams müssen dynamisch und schnell agieren, um Schritt zu halten und erfolgreich zu sein. Wie passt das zusammen mit den “alten Formen” des Arbeitens, welche durch feste Muster und hierarchische Unternehmensorganisationen geprägt sind? Die Antwort lautet gar nicht! Und deswegen denken immer mehr Unternehmen um und entwickeln holokratische Strukturen.
Die Geburtsstunde der Holokratie: Die Holokratie-Verfassung
Das Konzept der Holokratie beruht auf dem Software-Unternehmer Brian J. Robertson, der dieses ab 2007 in seinem Unternehmen einführte. Es ging ihm darum ein Konzept zu etablieren, indem transparente Entscheidungsprozesse mit allen Mitarbeiter*innen gestaltet werden können. 2010 entwickelte er dann die sogenannte Holokratie-Verfassung, die ein Regelwerk mit Prinzipien und Beispielen darstellt. Sie beinhaltet vier Säulen:
- Doppelte Verbindung (double-linking): Holokratie denkt in Kreisen, die autonome Einheiten darstellen. Diese Kreise müssen miteinander kommunizieren. Deswegen werden für jeden Kreis Personen bestimmt, die mit den anderen Kreisen kommunizieren. So werden Informationen und Interessen kommuniziert – und jede Stimme gehört.
- Rollen statt Personen: In der Holokratie wird zwischen Rollen und Personen unterschieden. Eine Person kann innerhalb der verschiedenen Organisationskreise unterschiedliche Rollen bzw. Funktionen wahrnehmen. Die Übernahme einer Rolle erfolgt insofern immer nur temporär und nicht dauerhaft. So ist eine Person z.B. nicht Social-Media-Manger*in, sondern Mitarbeiter*in mit den Funktionen Social Media und Content Creation.
- Integrative Entscheidungsfindung: Darunter versteht man in einer Holokratie, dass nicht die perfekte, sondern die brauchbarste Lösung gesucht wird. Es handelt sich also um einen “Work-in-progress”, bei dem jederzeit Änderungen vorgenommen werden können.
- Trennung von Steuerungstreffen und operativen Treffen: Operative Treffen sind vor allem notwendig, um das Tagesgeschäft zu organisieren. Steuerungstreffen hingegen, dienen dazu, die Zusammenarbeit mit anderen Kreisen und den Entscheidungsbefugnissen abzustimmen. Im Vordergrund stehen nicht nur Strategien, sondern auch Entwicklungsmöglichkeiten.
Mehr über Robertons Management-Ansatz gibt es in seinem TEDxTalk aus 2015. In diesem erzählt er, wie er zunächst versuchte an seinen eigenen Fähigkeiten, als Führungskraft zu arbeiten oder eine Organisationskultur aufzubauen. Schließlich kam er zu dem Ergebnis, dass er die gesamte Infrastruktur seines Unternehmens von Grund auf ändern muss, damit dieses wachsen kann: das Konzept der Holokratie war geboren!
Die 2010er waren in vielerlei Hinsicht wegweisend für unsere Arbeitswelt. Während Robertson also den Grundstein für holokratisches Management legte, sagten auch andere Akteur*innen, wie der Wirtschaftsphilosoph Frédéric Laloux in seinem Werk Reinventing Organizations hervor, dass sich unser Verständnis von Arbeit und Management grundlegend verändern würde. Auch, wenn er den Begriff Holokratie nicht verwendet, beschreibt er in seinem Leitfaden sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit ähnliche Mechanismen. Seine TEAL-Organisationen sind gekennzeichnet durch Selbst-Management statt hierarchischer Pyramiden und Organisationen als Einheit. Ist das das Ende der Hierarchie?