Holokratie vs. Hierarchie: Arbeiten ohne Chef*innen? (2/2)

January, 2022


In Arbeiten ohne Hierarchie? Was sich genau hinter Holokratie verbirgt, haben wir danach gefragt, wo der Holokratie-Trend überhaupt seine Ursprünge hat. Es handelt sich dabei um eine Idee, die mehr als 10 Jahre alt ist. In vielerlei Hinsicht trifft sie den New Work-Trend des 21. Jahrhundert von Unternehmen als hippen Orten, in denen sich Arbeitnehmerinnen selbst erfüllen, agil arbeiten und natürlich aus coolen Büros arbeiten. Aber Hand aufs Herz: die 2020er haben zwar in vielerlei Hinsicht unsere Art und Weise zu arbeiten revolutioniert, z.B. durch den Anstieg an hybriden Arbeitsmodellen aufgrund der Covid19-Pandemie, aber viele Unternehmen hängen weiterhin in alten Organisationsstrukturen fest.

New Work mit Hierarchie als Norm?

Denn die meisten der traditionellen Unternehmen verfügen über eine hierarchische Organisationsstruktur. Dies bedeutet, dass Anweisungen und Ziele in der Regel von der Unternehmensleitung an die verschiedenen Bereiche, Abteilungen und Mitarbeiterinnen vorgegeben werden. In einem holokratisch-organisiertem Unternehmen wird ein anderer Ansatz verfolgt. Die anfallenden Entscheidungen werden möglichst auf alle Organisationsmitglieder verteilt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine Hierarchien mehr gibt. Vielmehr ergeben sich dynamische Hierarchien, die dem Purpose der jeweiligen Aufgabe dienen. In der Praxis bedeutet dies, dass je nach Aufgabe die Entscheidungsträger*innen wechseln und nicht wie in einer starren Hierarchie dauerhaft festgelegt sind. In der Holokratie sind alle Entscheidungsträger*innen, und somit quasi alle irgendwo Chefinnen. Der große Unterschied zwischen Holokratie und Hierarchie liegt also in den unternehmensweiten Strukturen.* 

Zusammenfassend lassen sich im Vergleich drei große Unterschiede identifizieren:

  • Rollen: In traditionellen Organisationen hat jede*r Mitarbeiter*in einen bestimmten Job. Dieses Job-Profil ist meist starr und wenig adaptiv an neue Situationen oder Entwicklungen. Im Gegensatz hierzu zeichnet sich die holokratische Organisationsstruktur durch dynamische Rollen aus. Statt einem personenbezogenen gibt es einen arbeitsbezogenen Ansatz. Die Frage heißt nicht, wer tut das, sondern was muss getan werden und wer kann dies gerade tun? Rollen verändern sich stetig und auch die Menschen, welche diese ausführen.
  • Autorität: Holokratie wird gerne als Organisationsform ohne Autorität beschrieben. Dies ist nur bedingt wahr. Da in traditionellen Organisationen gibt es Chef*innen, die Autorität delegieren. Ihr Wort zählt letztlich am meisten. Auch in Holokratie gibt es Autorität. Diese ist jedoch nicht auf eine Person zentriert, sondern auf eine Reihe von Teams verteilt, die miteinander verbunden sind, aber autonom agieren. Entscheidungen werden dabei lokal getroffen. 
  • Regeln und Bürokratie: Es mag ein Klischee sein, doch viele traditionelle Organisationen haben ein festes Werk an geschriebenen und ungeschriebenen Regeln. Gerade die inoffiziellen Regeln können zu Problemen führen, wenn interne Machtkämpfe entstehen. Holokratische Organisationsformen setzen auf Transparenz. Alle Regeln sind öffentlich und gelten für jede*n gleichermaßen. So wird ein Arbeiten auf Augenhöhe unterstützt. 

Holokratie als New-Work-Konzept der Zukunft?

Insgesamt bietet Holokratie einige Vorteile wie z.B. schnellere und dezentrale Entscheidungsfindung, höheres Innovationstempo und flache Hierarchien, mehr Gleichberechtigung und motivierte Mitarbeiter*innen sowie höhere Arbeitseffizienz und Flexibilität. Anhänger*innen der Holokratie sehen diese als die Arbeitsform der Zukunft. Es können jedoch auch einige Aspekte kritisch betrachtet werden, ohne dabei “die Hierarchie” zurückzuwünschen. Kritiker*innen beleuchten fehlende zwischenmenschliche Kontakte, da die Organisationskreise sich ständig verändern, komplexe Abstimmungsprobleme zwischen den Organisationskreisen, unerwünschte Frei- und Entscheidungsspielräume oder auch juristische Probleme hinsichtlich der Verantwortung gegenüber dem Gesetzgeber.

Vielleicht sind dies auch die Gründe, warum holokratische Unternehmensformen in Deutschland bislang wenig verbreitet sind. Zum einen ist es sehr schwierig bei bestehenden Unternehmen die vorhandene Unternehmenskultur zu verändern. Mitarbeiter*innen stehen Veränderungen sehr skeptisch gegenüber, aber auch Chef*innen möchten ihre Führungspositionen und Machtbefugnisse nicht freiwillig aufgeben. Die Zunahme an Projektarbeit kann dabei als Mini-Schritt Richtung Holokratie gesehen werden, da hier flexiblere Strukturen ausprobiert werden. Es ist daher kein Wunder, dass es vor allem Startups und NGOs sind, die in einem dynamischen Marktumfeld schnell auf Veränderungen reagieren und innovationsfreudig bleiben müssen – und daher offener für alternative Strukturen sind. Ein Beispiel hierfür sind die Pionier*innen unserer Namensschwester von Einhorn, die bereits seit 2019 holokratische Elemente in ihren Arbeitsalltag integrieren – sei es in der Form der Zusammenarbeit, Gehältern oder Arbeitszeiten.