Ikigai : Wofür lohnt es sich, morgens aufzustehen?

November, 2022


„42” lautet die Frage nach dem Sinn des Lebens in Douglas Adams Per Anhalter durch die Galaxie. Die Antwort ist genauso abstrakt, wie die Frage dahinter, die wir uns alle sicherlich schon einmal gestellt haben. Egal, ob wir es Sinn des Lebens, Purpose oder Ikigai nennen, gemeint ist die Ergründung dessen, was unser Leben lebenswert macht. Oder eben das Gefühl, etwas zu finden, für das es sich lohnt morgens aufzustehen, wie der japanische Begriff Ikigai manchmal frei übersetzt wird. 

Ikigai besteht aus den japanischen Wörtern iki (Leben) und gai (Wert) und ist eine Lebensphilosophie, die in Japan auf eine lange Tradition zurückblickt. Tatsächlich kann sie bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgt werden.  Sie ist eine umfassende Selbsterforschung, die im Grunde danach fragt, was uns glücklich macht, wofür wir gerne leben und was uns morgens motiviert aufzustehen. Ikigai kann dabei als Konzept verstanden werden, wie man all diese Aspekte im eigenen Leben findet, aber auch den Zustand beschreiben, wenn man seinen “Lebenssinn” gefunden hat. Eine wichtige Aussage von Ikigai ist, dass es darum geht, seinen eigenen Weg zu finden und nicht blind gesellschaftlichen Vorstellungen oder Normen zu folgen. Es geht auch darum, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, im Jetzt zu leben, Stress zu vermeiden und Negatives loszulassen. Ikigai steht auch für einen achtsamen Umgang mit sich selbst und aktiv Dinge zu tun, die einem guttun. Dies kann beispielsweise sein, sich viel in der Natur zu bewegen, sich mit Menschen umgeben, die einen inspirieren, sich in Dankbarkeit üben, aktiv und neugierig bleiben und sich selbst und andere stets mit Respekt zu behandeln. 

Ikigai und New Work: das Ikigai-Diagramm

Auch in Deutschland findet das Ikigai-Modell mittlerweile viel Anklang. Die “westliche” Ikigai-Interpretation lehnt sich dabei an die japanische Philosophie an, ist jedoch nicht mit dieser gleichzusetzen. Gerade in der modernen Arbeitswelt, die von Gen Z getrieben wird, haben Purpose, Work-Life-Balance und Selbsterfüllung einen hohen Stellenwert. Hier wird Ikigai als Methode verstanden, um all jene Dinge zu erkunden – gerne auch, um neue Tätigkeitsfelder zu erkunden, Geschäftsmodelle zu entwickeln oder den „perfekten Job” zu identifizieren.  In diesem Zusammenhang wird oftmals auch Marc Winn genannt, ein Business Coach und Entrepreneur, welcher 2014 das Ikigai-Venn-Diagramm entworfen hat. Das Diagramm kombiniert sein vorhergegangenes Purpose Venn-Diagramm, welches einen vereinfachten Überblick über unsere momentane Arbeitssituation geben soll, mit der Philosophie des Ikigai. 

Die Grundlage des Ikigai-Modells sind vier Themenbereiche, welche in Kreisen dargestellt werden: Leidenschaft, Mission, Berufung und Job. Diese Kreise überschneiden sich und dort, wo der Schnittpunkt aller Themen ist, liegt Ikigai, also der “Lebenssinn”. So wird Ikigai visualisiert: 

Glücklich sein: Ikigai mit vier Fragen finden

Ikigai ist eine Methode und kein magisches Rezept. Es ist also erforderlich, sich Stift und Papier zu schnappen, sich hinzusetzen und sich selbst besser kennenzulernen. Basierend auf den Bereichen des Ikigai können vier Fragen dabei helfen, den persönlichen Sinn des Lebens zu erkunden.

Die erste Frage lautet: Was begeistert mich? „Make your passion your paycheck” - für viele ist es der Traum, die Leidenschaft zum Beruf zu machen, doch hierfür muss man auch wissen, wofür man überhaupt brennt. Gibt es etwas, das Du schon als Kind gerne gemacht hast? Worin kannst Du Dich verlieren? Worüber redest Du mit voller Begeisterung? Bei welchem Thema/bei welcher Aktivität steckst Du Deine Mitmenschen mit Begeisterung an? Die nächste Frage widmet sich dem Themenbereich Mission: Was kann die Welt von mir brauchen? Das Gefühl, gebraucht zu werden und etwas Sinnvolles zu tun, ist für viele Menschen ein Gefühl der Erfüllung.  Hier kann groß und klein gedacht werden, wenn es darum geht: welche Werte sind mir wichtig? Was möchte ich an der Welt gerne verändern? Was möchte ich der Welt hinterlassen? Gibt es ein Problem, das ich lösen könnte? Die dritte Frage widmet sich der Berufung: Was kann ich gut? Im Ikigai-Venn-Modell wird auch nach den eigenen Stärken gefragt. Gerade in Hinblick darauf, diese in der Erfüllung der „eigenen Mission“ einzusetzen. Worin bist Du ausgebildet, was für Fähigkeiten hast Du selber erlernt, was fällt Dir besonders leicht? Aber auch: worin bist Du vielleicht besser als andere? Die letzte Frage bezieht sich auf die Ebene des Jobs: Kann ich damit Geld verdienen? Lohnarbeit nimmt einen großen Teil unserer Lebenszeit aus. Deswegen spielt der letzte Bereich des Modells eine wichtige Rolle. Wie kann aus Leidenschaft, Mission und Talent ein Beruf werden? Kann ich diese Bereiche außerhalb eines Jobs kombinieren und einen Job finden, der hiermit vereinbar ist?

Ikigai ist dabei kein Sprint, sondern eine lange Reise, die vielleicht auch mehrere Anläufe braucht. Die Selbstreflexion, die durch Ikigai angestoßen wird, kann zunächst sogar verwirrender als erleuchtender sein. Es ist deswegen sehr wichtig, sich hier Zeit und Ruhe, und vielleicht auch mehrere Anläufe zu nehmen und diese ehrlich Fragen zu beantworten. Dann kann Ikigai ein Schritt sein, um dem persönlichen Lebenssinn näherzukommen.