Ist mein Erfolg nur Zufall und Glück? Das Impostor Syndrom
September, 2022
4 min
„Was kann ich überhaupt?”, „Die anderen merken bestimmt bald, dass ich eigentlich nichts kann” oder „Ich hatte doch eigentlich immer nur Glück” sind Gedanken, die viele Menschen am Arbeitsplatz haben. Nicht nur, aber gerade am Arbeitsplatz beschleicht viele das Gefühl, dass sie nicht gut genug sind – und es eigentlich nur eine Frage der Zeit ist, bis alle anderen das auch merken. Sie fühlen sich wie Hochstapler*innen (engl. Impostor) und daran ändert auch positives Feedback aus dem Umfeld nicht wirklich etwas. Weil Wissenschaftler*innen davon ausgehen, dass bis zu 70 % aller Menschen im Arbeitsalltag sich so fühlen, hat dieses Gefühl sogar einen Namen: Hochstapler*innen-Phänomen bzw. Impostor-Syndrom.
Das Impostor-Phänomen: ein Teufelskreis?
Menschen mit Impostor-Phänomen leiden an massiven Selbstzweifeln, geringer Selbstachtung im Hinblick auf ihre eigenen Fähigkeiten sowie oftmals einem hohen Selbstanspruch bzw. gesteigerten Hang zu Perfektionismus. Diese Kombination führt dazu, dass sie nicht in der Lage sind, ihre eigene Leistung realistisch einzuschätzen bzw. zu beurteilen. Das Resultat hiervon ist das Gefühl, die eigene Arbeit nicht gut (genug) zu machen, von anderen überschätzt zu werden und unverdient Lorbeeren zu ernten. Dies geht einher mit der Angst, dass das auch irgendwann die Kolleg*innen und Vorgesetzten merken und sie dann als Hochstapler*innen enttarnt werden. Auf Dauer kann das so belastend sein, dass das Impostor-Syndrom zu andauernden Angstgefühlen führt, sich auf körperlicher Dimension mit Schlaflosigkeit oder Stress zeigt oder es sogar zu Depression und Burnout kommt.
Das Impostor-Phänomen kann dabei als Teufelskreis beschrieben werden. Auf der einen Seite verstärkt negatives Feedback das Gefühl „unfähig” zu sein und die Jobposition nicht zu verdienen. Das macht es oftmals schwierig, mit Kritik konstruktiv, aber auch liebevoll umzugehen. Auf der anderen Seite fällt es vielen aber auch schwer, positives Feedback anzunehmen. Das Lob aus dem eigenen Arbeitsumfeld wird als Beweis dafür gesehen, dass die Kolleg*innen oder Chef*innen „erfolgreich” getäuscht wurden.
Impostor-Syndrom als New Work-Phänomen?
Ob Boomer, Millennial oder GenZ: Selbstzweifel machen vor keiner Generation halt. Vor mehr als 40 Jahren, im Jahr 1978, führten die amerikanischen Autorinnen Paulina R. Clance und Suzanne A. Imes den Begriff des Impostor-Phänomens ein. Sie beobachteten, dass vor allem erfolgreiche Frauen nicht an ihre eigenen Fähigkeiten glaubten und sich von ihrer Umgebung total überschätzt fühlten. Anstatt ihren Erfolg auf das eigene Skill-Set zurückzuführen, sahen sie diesen als glückliche Fügung oder Resultat externer Ursachen. Das Impostor-Phänomen macht weder vor Generationen noch vor biologischem Geschlecht halt und so sind auch Männer vom Impostor-Phänomen betroffen. Jedoch machen Gender Bias und Stereotype es für als Frauen gelesene Menschen generell schwieriger, sich im Berufsleben zu beweisen – mit und ohne Selbstzweifel.
Trotzdem machen die Charakteristika von New Work und unserer modernen Welt es für viele schwerer. Viele empfinden generell einen gesteigerten Leistungsdruck im New Work-Arbeitsleben. Auf der Arbeitsebene kommt dies daher, dass die New Work-Welt sehr datenorientiert arbeitet. So sollen Erfolge, aber auch Misserfolge messbar und vergleichbar gemacht werden. Dies kann aber auch im schlimmsten Fall dazu führen, dass die eigene Leistung lediglich vereinfacht in einer Zahl betrachtet wird, ohne Hintergründe zu betrachten. Gerade für Menschen, die sehr kritisch mit ihrer eigenen Arbeit sind, kann dies sehr schwierig sein, weil hier tatsächlich externe Faktoren eine Rolle spielen können. Auf der persönlichen Ebene leiden immer mehr Menschen unter dem Gefühl, nicht genug zu sein oder ihr Leben nicht richtig zu leben. Eine gesteigerte Öffentlichkeit, vor allem durch die sozialen Medien, steigert den gesellschaftlichen Druck. Es liegt auf der Hand, dass dies auch Selbstzweifel schürt.
Du bist genug: das Impostor-Phänomen überwinden!
Weil die Gründe, warum Menschen sich wie Hochstapler*innen fühlen, so vielseitig wie wir alle sind, gibt es hier kein Geheimrezept. Wie so oft liegt der erste Schritt aber darin, anzuerkennen, dass es das Hochstapler*innen-Phänomen gibt. Damit einher geht, aktiv die eigenen Denkmuster und Handlungsmechanismen zu erkennen – und diese zu hinterfragen. Es kann hierbei hilfreich sein, bei Impostor-Gefühlen innezuhalten und sich zu fragen: Was passiert gerade in meinem Kopf? Aus welchem Anlass fühle ich mich gerade so? Wie kann ich mich besser fühlen? Es kann auch sinnvoll sein, sich bewusst Erfolge aufzuschreiben, damit man bei Selbstzweifeln schwarz auf weiß sieht, was man alles erreicht hat. Neben der Selbstbeobachtung ist der Austausch mit anderen – ob Kolleg*innen, Freund*innen oder einer/einem Therapeut*in – wichtig. Zum einen hilft es oftmals, wenn man versteht, dass man mit einem Problem nicht alleine ist, sondern es anderen auch so geht. Dies kann gerade dann eindrucksvoll sein, wenn es Menschen sind, deren Fähigkeiten Du hoch schätzt. Zum anderen ist es immer eine gute Idee nach Hilfe zu fragen und diese anzunehmen. Um dauerhaft negative Denkmuster wie das Impostor-Phänomen zu überwinden, ist es elementar, sich diesen offen zu stellen, offen über diese Gefühle zu reden und Schritt für Schritt aus dem Impostor-Gedankenkarussel zu kommen.