New Work: Warum der Arbeitsplatz ein Safe Space sein muss
Februar, 2022
4 min
New Work lebt in vielerlei Hinsicht von Fluidität. Konzepte wie Work-Life-Integration fusionieren Lebens- und Arbeitsalltag. Individualität und das Ausleben dieser ist eines der wichtigsten Merkmale von New Work. In unserer modernen Arbeitswelt möchten wir nicht nur länger als Arbeitnehmer*innen auf die Arbeit gehen, sondern als Individuen agieren und wahrgenommen werden. Mit Blick auf das zunehmende Verschwimmen zwischen den Grenzen von Arbeit und Privaten müssen wir auch einen neuen Umgang mit dem Zeigen von Emotionen auf der Arbeit entwickeln.
Emotionen sind menschlich, aber auf der Arbeit unangebracht?
Im Leben gibt es oft Situationen, in denen emotionale Reaktionen unvermeidlich sind. Denn als Menschen können wir nicht einfach auf Knopfdruck abschalten, wann wir etwas fühlen und wann nicht. Gerade, wenn es um als negativ-konnotierte Emotionen wie Trauer oder Sorge geht, ist es normal, dass wir diese nicht vor der Bürotür stehen lassen, sondern uns diese eben auch mit an den Schreibtisch begleiten. Trotzdem gilt Gefühle zeigen auf der Arbeit vielerseits als unprofessionell. Dies ist aus vielerlei Hinsicht kritisch zu betrachten. Zum einen ist dies – schlicht in Hinblick auf die Menge an Zeit, die wir auf der Arbeit verbringen – eine unrealistische Erwartung. Denn bei einem Arbeitstag von acht Stunden verbringen wir ⅓ unseres Tages auf der Arbeit. Das ist mehr Zeit als wir mit Partner*innen, Familie oder Freund*innen verbringen. Ist es also wirklich möglich oder vor allem auch sinnvoll bzw. notwendig Emotionen, solange zu unterdrücken? Zum anderen wird in vielen New Work-Arbeitsumgebungen viel Wert auf ein freundschaftliches und entspanntes Arbeitsklima gelegt. Der After-Work-Drink gehört bei vielen jungen Unternehmen beinahe zum Inventar. Es geht darum den Zusammenhalt zu stärken und sich auf einer persönlichen Ebene kennenzulernen. Es sollen gemeinsam positive Erfahrungen und Erinnerungen gemacht werden, die sich dann synergetisch auf die Zusammenarbeit auswirken. Warum können dann nicht auch Trauer, Sorge oder Enttäuschung offen geteilt werden?
Es muss auch die Frage danach gestellt werden, was für Folgen es langfristig hat, wenn wir für einen großen Teil des Tages unsere Emotionen unterdrücken müssen. Wäre es nicht besser, wenn wir unsere Gefühle auf allen Ebenen offen am Arbeitsplatz teilen? Dies kann natürlich nicht pauschal beantwortet werden. Während es für einige Menschen eine Erleichterung ist ihre Emotionen offen zu zeigen, über diese zu sprechen und sich mit den Emotionen anderer auseinanderzusetzen, gilt das nicht für alle. Für andere ist es nämlich ziemlich schwer Emotionen zuzulassen und diese dann auch noch am Arbeitsplatz offen zu teilen. Während Menschen also unterschiedlich mit ihren Emotionen umgehen, ist eines klar: Emotionen begleiten uns an den Arbeitsplatz, ob wir wollen oder nicht. Es müssen also Arbeitsumgebungen entstehen, in denen Emotionen einen Raum haben – und den Raum einnehmen dürfen, der von dem jeweiligen Individuum eingefordert wird.
New Work und Wandel der Arbeitswelt: Safe Spaces
Zum Glück zeigt an einigen Arbeitsorten ein deutlicher Wandel, wenn es um den Umgang mit Emotionen auf der Arbeit geht. Während es früher ganz klar fehl am Platz, taktlos oder unangemessen galt, offen über Gefühle oder Empfindungen am Arbeitsplatz zu sprechen, wird diese Haltung heute viel differenzierter gesehen. Es setzt sich immer mehr die Einsicht durch, dass Mitarbeiterinnen als ganzes Wesen zu sehen sind – und sich private Ereignisse auch emotional auf die Arbeit auswirken können. Der holistische Ansatz wird somit immer präsenter. Mitarbeiter*innen bekommen mehr Raum für Emotionen und zudem wird Freiraum geschaffen, sodass sie sich um ihr emotionales Wohlbefinden kümmern können. Dies ist natürlich nicht ganz uneigennützig, da davon ausgegangen wird, dass ausgeglichenere Mitarbeiter*innen auch bessere Leistungen erzielen können. Dennoch kann immer mehr beobachtet werden, dass der Arbeitsort als Safe Space gedacht werden soll. Ein Safe Space ist dabei ein Ort, an dem sich Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen sicher fühlen. Das Arbeitsumfeld wird dabei zu einem Ort, an dem sich Menschen als Individuen gesehen und verstanden fühlen – und sich als solche ausdrücken können.
Wie kann ein Safe Space im Arbeitsumfeld geschaffen werden?
Safe Spaces leben von Offenheit, Respekt und Akzeptanz. Nur so können Räume entstehen, in denen Mitarbeiter*innen sich professionell und persönlich entwickeln können. Es gilt dabei Orte zu schaffen, an denen Ideen, aber eben auch Emotionen, ohne Angst vor Zurückweisung oder Repression ausgedrückt werden können. Ein Safe Space entsteht dabei nicht von heute auf morgen, sondern braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Deswegen gibt es auch keine magischen drei Schritte, mit denen aus einem Arbeitsort ein Safe Space geschaffen wird. Vielmehr muss ein generelles Bewusstsein dafür vorhanden sein, dass eben nicht nur Hard Skills, sondern auch Soft Skills im Arbeitskontext wichtig und maßgeblich sind, um eine sichere Arbeitsumgebung zu schaffen. Gleichzeitig ist auch die Erkenntnis wichtig, dass ein Austausch auf Augenhöhe – inklusive Emotionen – auf allen Ebenen möglich sein muss. Dies spiegelt sich gerade in holokratischen Arbeitskonzepten wider. Es gibt viele Wege, wie der Arbeitsplatz zum Safe Space werden kann, der schlussendlich immer von den Individuen und ihren Bedürfnissen und Forderungen abhängig ist, die an diesem Ort arbeiten. Der erste Schritt ist aber sicherlich festzustellen, dass wir als Menschen auch auf der Arbeit einen geschützten Ort brauchen, an dem wir sein können, wer wir sind und diesen gemeinsam zu schaffen.