Proximity Bias: Herausforderung für New Work und hybride Arbeitsmodelle?

September, 2024


In den letzten Jahren hat sich ein tiefgreifender Wandel in der Arbeitswelt vollzogen. Die traditionelle Büroumgebung, in der Mitarbeiterinnen von 9-to-5 physisch im Büro anwesend sein mussten, wird zunehmend durch flexible Modelle ersetzt. Diese hybriden New Work-Arbeitsmodelle erlauben eine Mischung aus Präsenzarbeit und mobilem Arbeiten. In Deutschland haben hybride Arbeitskonzepte seit der Corona-Pandemie an Popularität gewonnen. Anfang 2024 stellte Haufe fest, dass deutschlandweit 64% der Mitarbeiter*innen mit Büroarbeitsplatz hybrid arbeiten. Hybride Arbeitsmodelle sind ein fester Bestandteil von New Work. Die Nutzung “neuer” Technologien und ein Wandel der Unternehmenskultur ermöglicht es Mitarbeiterinnen selbstbestimmt zu arbeiten. Allerdings bringt diese neue Arbeitsweise auch Herausforderungen mit sich. Eine dieser Herausforderungen ist der sogenannte “Proximity Bias”.

Gefahr für die New Work-Welt: der Proximity Bias

“Proximity Bias”, oder “Distance Bias” wird mit “Näheverzerrung” übersetzt. Er beschreibt ein psychologisches Konzept, laut welchem Menschen instinktiv andere Menschen bevorzugen, die sich in ihrer (physischen) Nähe befinden. In der New Work-Welt ist dieses psychologische Phänomen in hybriden Arbeitsumgebungen besonders ausgeprägt und beschreibt die unbewusste Tendenz von Führungskräften, die Leistungen und Kompetenzen von Mitarbeiter*innen, die physisch anwesend sind, höher zu bewerten als die von remote-Mitarbeiter*innen. Diese Wahrnehmung wirkt sich negativ auf alle aus, die 100 % remote arbeiten sowie auf Mitarbeiter*innen, die seltener als andere aus dem Büro arbeiten.

Wie sieht der “Proximity Bias” in der Praxis aus? Der „Proximity Bias“ legt beispielsweise nahe, dass Mitarbeiter*innen, die häufiger im Büro sind, eher befördert werden als Teammitglieder, die überwiegend remote arbeiten. Die Verzerrung, die durch den “Proximity Bias" entsteht, hat weitreichende negative Folgen. Sie führt zu einer Ungleichbehandlung innerhalb des Teams und untergräbt die Motivation und Loyalität der remote-arbeitenden Mitarbeiter*innen. Besonders in einer „New Work“-Umgebung, in der Flexibilität und Chancengleichheit zentrale Werte sind, stellt der „Proximity Bias“ ein ernstes Hindernis dar.

New Work: Was bringen hybride Arbeitsmodelle?

Der “Proximity Bias” könnte dazu führen, dass sich hybride Arbeitsmodelle nicht nachhaltig etablieren. Dabei bietet hybrides Arbeiten als zentrale Komponente von New Work zahlreiche Vorteile für Unternehmen und Mitarbeiter*innen. Einer der größten Vorteile ist die gesteigerte Flexibilität. Mitarbeiter*innen können ihre Arbeit besser an ihre persönlichen Lebensumstände anpassen, was zu einer besseren Work-Life-Balance führt. Dies hat positive Auswirkungen auf die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen und kann ihre Produktivität steigern, so das Zukunftsinstitut. Bietet New Work auch Chancen für Unternehmen? Für Unternehmen bieten hybride Arbeitsmodelle die Möglichkeit, auf einen größeren Pool an Talenten zurückgreifen zu können – unabhängig von ihrem geografischen Standort. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist dies in betroffenen Branchen ein großer Vorteil. Zudem können Unternehmen durch hybride Modelle ihre Betriebskosten senken, indem sie den Bedarf an Büroflächen reduzieren und auf flexible Büroangebote setzen. 

In der New Work-Welt wird hybrides Arbeiten zusätzlich als eine Chance gesehen, um Inklusion und Diversität zu fördern. Flexible Modelle ermöglichen Menschen mit diversen Hintergründen, Fähigkeiten und Lebenssituationen, am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Hierdurch entstehen innovative und vielfältige Teams, die eine Bereicherung für Unternehmen darstellen.

Strategien zur Vermeidung von Proximity Bias in hybriden Arbeitsmodellen

Wie kann der “Proximity Bias” vermieden werden, damit sich hybride Arbeitsmodelle erfolgreich (weiter)etablieren können? Die Vermeidung von „Proximity Bias“ erfordert bewusste Anstrengungen seitens der Führungskräfte und Unternehmen. Ein erster Schritt ist bereits die Schaffung von Bewusstsein für dieses Phänomen. Zudem sind  transparente und objektive Kriterien für Beförderungen, Projektvergaben und Leistungsbewertungen hilfreich. Diese Kriterien sollten unabhängig davon sein, ob eine Person hauptsächlich im Büro oder remote arbeitet. Auch strukturierte Kommunikationsstrategien tragen dazu bei, die Gleichbehandlung aller Mitarbeiter*innen sicherzustellen. Hierzu gehören regelmäßige Teammeetings, bei denen alle Mitarbeiter*innen eingebunden werden, was bedeutet, dass diese Meetings nicht ausschließlich in Präsenz stattfinden können. Manager*innen müssen außerdem darauf achten, dass wichtige Informationen und Entscheidungen nicht nur in informellen Gesprächen im Büro getroffen werden, sondern in einem formalen digitalen Rahmen, an dem alle beteiligt sind. Ein weiterer Ansatz zur Vermeidung des „Proximity Bias“ ist die Förderung einer Kultur der Anerkennung und Wertschätzung, die auf Leistung und nicht auf physischer Präsenz basiert. Führungskräfte sollten aktiv nach Wegen suchen, um die Erfolge und Beiträge von remote-Mitarbeiter*innen sichtbar zu machen und zu würdigen. Möglichkeiten hierfür sind regelmäßiges Feedback, Anerkennung im Team oder die Hervorhebung von Erfolgen in internen Kommunikationskanälen.

Die Zukunft der Arbeit im Zeichen von New Work und der Bewältigung von Proximity Bias

Die Arbeitswelt entwickelt sich weiter, und „New Work“ wird in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Hybrides Arbeiten ist dabei mehr als nur ein Trend; es ist eine grundlegende Veränderung, die Unternehmen und Mitarbeiter*innen zahlreiche Vorteile bietet. Doch um das volle Potenzial dieser neuen Arbeitswelt auszuschöpfen, müssen Unternehmen die Herausforderungen, die mit hybriden Modellen einhergehen, aktiv angehen. Der „Proximity Bias“ ist eine solche Herausforderung, die nicht unterschätzt werden darf. Wenn es Unternehmen gelingt, diesen Bias zu erkennen und zu überwinden, können sie eine inklusivere, gerechtere und produktivere Arbeitsumgebung schaffen. Dies ist ein entscheidender Faktor für New Work und den langfristigen Erfolg in einer sich ständig verändernden Arbeitswelt.